Morgenstimmung
Schlußbemerkung
Anfangs war ich mir unsicher, ob ich diesen Törn buchen soll – mit mir bis dato unbekannten Leuten drei Wochen auf engsten Raum leben? Drei ganze Wochen?
Ich habe mich dafür entschieden und keine Sekunde diese Entscheidung bereut. Die Stimmung an Bord war ausgesprochen gut, der Törn ein Erlebnis wert!
Das eigentliche Ziel des Törns konnten wir leider nicht erreichen. Das „Sahnehäupchen“ des Törns – Schönwettersegeln in der Algarve – blieb uns versagt. Das ist schade, aber zu verkraften. So hatten wir ein paar schöne Tage in La Coruna und auch wenn das Wetter uns nicht immer wohlgesonnen war, so hatten wir die meiste Zeit optimale Bedingungen… Seglerisch sind wir voll auf unsere Kosten gekommen.
Die MAUNA LUA war ein ausgesprochen gutes Schiff. Komplett anders als nach dem ersten Eindruck war sie extrem gut in Schuss. Sie lag perfekt im Ruder, so perfekt, dass man sich gelegentlich – aufgrund des geringen Widerstandes – fragen musste, ob das Ruder überhaupt noch dran ist. Mit Nässe gab es keine Probleme, selbst während des ständig überspülten Vorschiffs bei Kap Finisterre drangen nur einzelne Tropfen in den Innenraum. Seglerisch war es eine Freude, sie zu segeln: bei leichtesten Winden sprang sie an, schweres Wetter nahm sie gelassen dahin.
Auch, wenn ich unterwegs – insbesondere ausgelaugt durch Kälte und Schlafmangel – den Gedanken hatte, mein nächster Törn sollte relaxtes daysailing in Kroatien oder Inselhopping in Griechenland werden, so würde ich – wenn ich die Chance hätte – diesen Törn jederzeit nochmal machen – am Besten sofort.
La Coruna – die Entscheidung
1200: Sonne, Sommer, 20°C und mehr. So läßt es sich aushalten. Wir machen uns klar zum Auslaufen. Vor dem Tief am Donnerstag müssen wir um das Kap Finisterre, oder wir können es vergessen. Unklar ist jedoch noch, wie der Wind in den nächsten Stunden dort sein wird.
1630: Nach intensiven Internet-Recherchen bzgl. Wetter und Studium anderer Wettervorhersagen ist die Lage unklar: von Flaute bis Süd 8 ist alles vorhergesagt. Die pessimistische Vorhersage scheint plausibler und so fällt die Entscheidung: Nicht mehr auslaufen! Zu dieser Entscheidung hat auch die Aussage des Riggers, der das Ersatzstag anfertig, beigetragen: Auch mit dem improvisierten Babystag sollten wir nicht gegen die Welle ansegeln oder motoren – am Kap Finisterre sind es laut DWD zur Zeit min. 1.5 m Welle mit Tendenz nach oben.
Ein Sturmtief zieht gerade westlich von Portugal in Richtung Norden. Maximal hätten wir ein Zeitfenster von 24h. Zuviel Risiko für zuwenig Nutzen.

Plan: Freitag abend Mietwagen nehmen und nach Faro durchfahren. Dort wird am Samstag die Ersatzcrew ankommen und den Wagen wieder nach La Coruna fahren. Bis dahin ist entspannen und Urlaub angesagt…
La Coruna – Schadenbestandsaufnahme
Kurz nach 9 Uhr morgens werden wir durch ein lautes Zischen geweckt: Durch die Feuchtigkeit unter Deck hat sich eine Rettungsweste geöffnet. Schön, dass es nicht schon unterwegs passiert ist. Insgesamt öffnen sich 4(!) Schwimmwesten.

Tagsüber können wir die Seele baumeln lassen und La Coruna genießen. Der Sommer ist da: Mit T-Shirt und z.T. kurzer Hose ist es richtig angenehm. Auch das Klettern aufs Schiff bei Niedrigwasser wird Routine.

Nebenbei sind ein paar Arbeiten am Schiff fällig: wie wir gestern festgestellt haben, ist irgendwann unterwegs das Babystag gebrochen. Eine Festmacherleine, geführt über einen Flaschenzug soll das Babystag ersetzen. Sie setzt zwar am Mast tiefer an und ist nicht so steif wie das vorherige Stag, ist aber besser, als gar nichts. Zusätzlich ist sie sogar ins Cockpit geführt. Wer hat sonst sowas: ein vom Cockpit trimmbares Babystag?!
Ankunft La Coruna
Um ca. 0600 machen wir fest in La Coruna. Seit Falmouth sind wir 639 sm vorangekommen, insgesamt haben wir 1345 sm im Kielwasser. Es regnet in Strömen und es ist noch stockdunkel. Das Anlegerbier wird während des Morgengrauen eingenommen und noch bewußter genossen als bei der Ankunft in Falmouth. Plötzlich wirkt alles friedlich und ruhig. Endlich ist erholsames Schlafen möglich.
Am Abend wird die Stadt erkundet und in einem kleinem, typisch spanischen Restaurant zu Abend gegessen. La Coruna ist eine im Stadtzentrum hübsche, spanische Stadt. Es gibt unzählige einheimische Restaurants und Bars, macht jedoch keinen touristischen Eindruck.

Zurück am Schiff gibt es dann eine Überraschung: Die Tide hat das Schiff weit abgesenkt, so dass zwischen Kai-Mauer und Schiff ca. 3 m liegen. Nach anfänglicher Ratlosigkeit klappt es dann, an einer Want entlangeführten Fallen herunterzuklettern um an Bord zu kommen.

Möglicherweise wird La Coruna der letzte Hafen dieser Reise sein: Der Wetterbericht sagt weiterhin S-W 6 und mehr voraus, das nächste Tief steht bereits in der Warteschlange und kommt voraussichtlich Donnerstag.
Biskaya – 5. Seetag
0200: Wir liegen bei. Keine Chance, bei dem Wind sinnvoll Strecke zu machen. Als ich zu meiner Wache an Deck gehe, erwartet mich vergleichsweise warmer, aber durchgängiger Wind, Nieselregen und Dunkelheit. Irgendwie unheimlich sind die Gischtkämme auf den Wellen um uns herum. Man kann nur die Gischt erkennen, ansonsten ist es absolut dunkel, die Wellen lassen sich nur erahnen. Mittlerweile liegt die Windgeschwindigkeit bei 30-40 kn, also 7-8 Bft. Das Schiff liegt im 3ten Reff und ohne Genua bei. Laut GPS treibt es mit 1.5 kn, an Backbord ist der leuchtende Teppich unseres Kielwassers auszumachen.
Gegen morgen, nach 4 Stunden Wache bin ich froh über meine Koje, die Wärme und Trockenheit und den Schlaf.

in Richtung Kap Finisterre
1200: Die Entscheidung fällt: es macht keinen Sinn, weiter nach Bayona kommen zu wollen. Selbst wenn wir gut durchkommen, würde das anlegen nicht ganz unkritisch – die Einfahrt von Bayona ist nach SW offen, so dass die Ansteuerung bei SW Wind und Welle kritisch werden könnte. Neues Ziel ist La Coruna, ca. 90 sm östlich. Der Wetterbericht gibt uns recht: SW 6-7, später 8, Sturmwarnung.

1930: Die See hat sich bereits gut aufgebaut. Laut DWD ist die Wellenhöhe bei 2.5 m, einzelne Wellen schätze ich auf mehr als 4 m. Im Abstand von wenigen hundert Metern passiert uns ein Frachter. Trotz des geringen Abstands war er zeitweise wegen den Wellen nicht zu sehen. Beeindruckend kämpft sich sein Bug durch die Wellen, die Gischt spritzt meterhoch.
Das Wasser und der Himmel sind stahlgrau. Irgendwann kommt aber auch die Sonne hervor – als matter, leuchtender Fleck in den Wolken. Erstaunlich, dass nur wenige Sonnenstrahlen genügen, das gesamte Szenario in einen freundlicherem Licht darzustellen.
Biskaya – 4. Seetag
1500: Strahlend blauer Himmel, Sonne, spiegelglatte See … und Eiseskälte. Den Versuch eines Sonnenbades auf dem Vorschiff habe ich frühzeitig abgebrochen – zur Vermeidung schwerwiegender Unterkühlung. Schade, vom windgeschütztem Cockpit aus sah das Vorschiff sehr einladend aus.
Wir sind jetzt unweit von Kap Finisterre, in den nächsten Stunden dürften wir es passieren. Die Wettervorhersage verheißt jedoch nichts Gutes: S-SW 5-6, später 7! Das kann Lustig werden, insbesondere weil SW denkbar ungünstig ist, wenn man nach Süden will und sich dabei noch möglichst weit von der Küste im Osten freihalten will. Plan A: Fahrt zu den Azoren antäuschen und dann rein nach Bayona. Das „antäuschen“ hatte schon oft Einfluß auf das Wetter, beispielsweise sorgte ein „angetäuschtes“ Frühstück für Regen, ein „angetäuschtes“ Essenkochen für günstigen Wind zum Ablegen etc.
2000: Der Wind hat gedreht, der angekündigte Südwind ist da. Neuer Kurs: hart am Wind Richtung Südwesten. Das Boot schiebt Lage wie lange nicht mehr. Trotz blauem Himmel scheint das Schönwettersegeln erstmal vorbei zu sein. Irgendwie habe ich mir Südwind auch immer wärmer vorgestellt.
Noch ist die See glatt, aber irgendwann wird sich die Welle aufbauen – dann wird es lustig in der Vorschiff-Koje. Es sind noch 110 sm bis nach Bayona, mit Kreuzschlägen 150 sm.
2200: Die erwartete Welle ist da. Schlafen wird anstrengend. Ständig hebt man von der Koje ab um kurz danach wieder zu landen. Durch die Krängung wird man gegen die Schiffswand gedrückt. Man spürt die Vibration des Rumpfes und dessen Verformung bei jedem Eintauchen in die Welle. Lautstark knarrt der gesamte Innen-Ausbau. Allen Widrigkeiten zum Trotz schlafe ich irgendwann ein.
Biskaya – 3. Seetag
Was für eine Nachtwache! Mit 7 Knoten bei raumen Wind (Stärke 4) durch die dunkle, mondlose Nacht. Es wird wärmer. Zwar bin ich immer noch in voller Montur, jedoch habe ich keine kalten Füße und Hände mehr.
Kurz nach Mitternacht sieht man plötzlich drei Objekte im Wasser, die sich schnell in einem Bogen auf unser Schiff zubewegen. Sie hinterlassen einen phosphoreszierenden Schweif. Nach dem seltsamen Treibgut am Tage schießen einem Fragen durch den Kopf – nach einer Treibgut-Bombe jetzt ein U-Boot-Angriff mit Lenktorpedos? Doch statt des Einschlages passiert nichts. Plötzlich sieht man auf der anderen Seite des Schiffes etwas im Wasser, was einen phosphoreszierenden Schweif erzeugt. Es dämmert mir: Delfine! Fast 1.5 Stunden leisten sie uns Gesellschaft. 8 Tiere sind auszumachen, wie sie von der Seite anschwimmen, in der Bugwelle das Schiff begleiten und plötzlich unter und wieder auftauchen. Alles umgeben von dem gespenstischen grünlichem Schimmer. Das Meer lebt! Etwas später sind ganze Teppiche eines leichten Schimmerns auszumachen. Fischschwärme, die durch ihre Bewegung das Plankton zum Leuchten bringen? Irgendwann leuchtet das ganze Meer unter uns. In dem leichten Schimmer sind zusätzlich hellere Blitze auszumachen. Wie mit einer Röntgenbrille kann man in das Wasser sehen. Stundenlang könnte ich diesem Naturschauspiel zusehen.
1500: Mittagessen: Nudeln mit Thunfischsauce. Gelassen geht es mit 4-5 Knoten bei Westwind dahin. Noch 245 sm bis nach Bayona. Der Himmel ist bewölkt, vereinzelt gibt es Schauer, es ist jedoch nicht kalt. Mit zwei Pullovern ohne Ölzeug ist es angenehm.
Die See hat heute ein tiefes Blau, eine leichte Dünung kommt aus West, ansonsten gibt es kaum Welle. Rasmus wurde bereits einer der besonders guten Schokokekse – die eigens als Opfergabe gekauft wurden – geopfert. Bisher jedoch ohne Erfolg. In den vergangenen Tagen hat sich gezeigt, dass etwa ein Schokokeks alle 6 Stunden für einen gleichmäßig guten Wind sorgt. Hinter Falmouth haben wir wegen der Flaute geopfert, was das Zeug hielt: Himbeergeist, Kekse, Erdnüsse, Cola, Cola-Light. Aber auch da hatte es eine Weile gedauert, bis das Opfer angenommen wurde. Also heißt es warten.
Kurz besuchen uns ein paar Delfine, sie haben jedoch offenbar nicht die Muße, uns länger zu begleiten und verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind.

2000: wieder Sonne bei leichter Bewölkung. Mit 6-7 Knoten Fahrt geht es in Richtung Bayona. Offenbar hat das Opfer von heute Nachmittag gewirkt. Leider ist der Wind nicht beständig und schläft zur Nacht hin komplett ein.
Biskaya – 2. Seetag
0815: Wachende. Die Nacht war kalt, aber erträglich. Die gesamte Nacht dümpelten wir mit 4-5 Knoten und Wind aus Nord. Mittlerweile trennen uns bereits 95 sm von Falmouth.
Der Morgen ist vielversprechend. Die Sonne ließ alle Wolken verschwinden, der Wind nahm auf 3-4 zu. Mit über 7 Knoten geht es Bayona entgegen, 430 sm liegen vor uns.
1800: Schönwettersegeln! Blauer Himmel, Sonne, schätzungsweise 18°C. Die kurzen Hosen wurden bereits ausgepackt. Ein guter NNW 3-4, Fahrt 5-7 Knoten, zum Teil unter Schmetterling. Bei allen ist sichtliche Freude über das Wetter zu erkennen. Wachegehen mit Jogginghose und einem Pullover – Traumhaft! Zur Krönung gibt es einen aufwändigen Reisauflauf zum Essen. Mittlerweile liegt Falmouth 155 sm hinter uns.
Zwischendurch gab es noch einen leichten Adrenalin-Kick. Vom Vorschiff aus rief jemand, dass recht voraus etwas im Wasser treibt. „Hol‘ mal jemand den Bootshaken“. Während ich auf der Suche nach dem Bootshaken die Backskiste durchwühlte, kam plötzlich ein aufgeregtes „Abdrehen! Abdrehen!!“. Knapp 3 Meter entfernt trieb etwas an uns vorbei, was die Form einer Fliegerbombe hatte, vielleicht 50 cm lang und blau-orange. Übungsmunition? Immerhin sind Kanal und Biskaya U-Boot-Übungsgebiet. Was auch immer es war, es war wohl besser, es nicht zu rammen.